Luftansicht Bad Heilbrunn, © Bildverlag Bahnmüller
Parkvilla
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Parkvilla

Das letzte Bauwerk des großen Münchner Architekten, Umweltschützers und Denkmalbewahrers Gabriel von Seidl (1848-1913) sollte ein privates Landhaus sein, aber dessen Fertigstellung durfte er nicht mehr erleben.

646107, © Lisa Bahnmüller

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Friedrich Hoeck war ein angesehener Mann in Heilbrunn, obwohl der Münchner Kunstschlosser kein Einheimischer war. Ihm und seiner Frau Anna aber verdankte das junge Privatbad sein neues Gesicht durch die Wandelhalle, dem Kurhaus-Hotel und der Villa Bellevue. Nach Annas Tod 1912 veräußerte der Witwer 87.530 m² Grund, zu dem auch die Adelheidquelle gehörte– für Friedrich sollte es ein Rückzug ins Privatleben werden. Einzig und allein ein Grundstück in Traumlage behielt er für sich zurück und engagierte den bekanntesten Architekten seiner Zeit, Gabriel von Seidl, um darauf eine wunderschöne Landvilla errichten zu lassen.

Der bereits 63-jährige Gabriel von Seidl nahm den Auftrag gerne an, sah er doch darin die einmalige Chance, noch einmal einen seiner Träume zu verwirklichen oder wie sein Biograph Hans Bößl schreibt:

„Die Zukunft gehörte dem sachlich-funktionellem bauen. Seidl hat das gefühlt – aus Äußerungen zu Freunden lässt sich das eindeutig herauslesen. (…) Dass die Konstruktion allein Architekturform werden sollte, dass also Verzicht geleistet werden sollte auf das Historische und Poetische, (…), dafür hatte er kein Ohr. Das moderne Bauen, die Gestaltung `wirklicher Wirklichkeit´ erforderte den Realisten. - Vielleicht beruhten der Zauber der Persönlichkeit Gabriel von Seidls und das Geheimnis seines Erfolges gerade darin, dass er das nicht war, sondern ein Träumer.“[1]

Im Dezember 1848 in München geboren, wuchs Gabriel von Seidl mit seinen Geschwistern in einem Umfeld auf, das geprägt war von der Kunstleidenschaft seines Vaters Anton. Seine Mutter Therese war eine Tochter der Spatenbrauerei Familie Sedlmayr. Sein Architekturstudium schloss er nach vielen Unterbrechungen, die der frühe Tod des Vaters und sein Dienst an der Front mit sich brachten, 1874 ab. Drei Jahre später gründete er seine eigene Firma zusammen mit seinem Bruder Emanuel und einigen Freunden. Der Durchbruch als Architekt gelang ihm 1879 mit dem Deutschen Haus in München. Es folgten 70 weitere Bauten in rund 30 Städten, aber schon in München legte er den Grundstein für seinen ganz eigenen Stil, der als „Deutsche Renaissance“ in den Kunstbüchern Einzug hielt. Regelmäßigkeiten und Symmetrien wurden zugunsten asymmetrischer Grundrisse aufgegeben, steile Dächer und auflockernde Elemente wie Erker, Türmchen und Zwerchhäuser traten dem strengen Linearismus der damaligen Zeit entgegen. Diese Charakteristika zeichnen alle seine Bauten aus, darunter die Villa Lenbach, das Karlstor-Rondell, die Rufini-Häuser, das Bayerische Nationalmuseum oder St. Anna in München. Seine Vorliebe für Giebel brachte ihm den Spitznamen Giebl-Gabriel, auf bayrisch „Giebl-Gabe“ ein.

Doch er war weit mehr als nur ein Architekt. 1902 gründete er den Isartalverein, mit dem ihm ein Schlag gegen die wachsende Zahl der Grundstückspekulanten gelang. Zusammen mit den anderen Vereinsmitgliedern fertigte er eine Liste mit wichtigen und einzigartigen Plätzen und Monumenten an, für die der Verein staatlichen Schutz forderte. Den Isartalverein gibt es übrigens noch immer. Als 1905 der „Bayerische Landesausschuss für Naturpflege“ gegründet wurde, war er Mitglied. Ein herausragender Erfolg, denn damit wurde der Naturschutz erstmals zur Aufgabe des Staates. Ganz besonders am Herzen lag ihm die Isar. Er setzte auf Hochwasserschutz und den Bau von Kläranlagen, um die Wasserqualität zu erhalten.

Mit drastischen Sanierungsmaßnahmen rettete er zwischen 1900 und 1907 die historische Marktstraßenbebauung im nahen Bad Tölz. Gabriel von Seidl verhinderte nicht nur ihren Abriss, sondern gab dem „Wohnzimmer des Isarwinkels“, wie es gerne genannt wird, ihr heutiges Aussehen.

1906 begann er mit dem Bau des Deutschen Museums in München – ein Zweckbau, der so gar nicht mehr nach seinen Vorstellungen war. Als Gabriel von Seidl am 27. April 1913 starb, war dieser Bau noch nicht fertig gestellt, ebenso wenig wie das Kurhaus in Bad Tölz und das Landhaus Hoeck, die heutige Seidl-Villa in Heilbrunn.

Der heimische Maurermeister Max Gschwandtner vollendete das Landhaus für die Familie Hoeck, nach den Plänen von Gabriel von Seidl. Doch auch Friedrich Hoeck konnte sich nicht lange an seinem Domizil erfreuen. Er starb sieben Jahre später und hinterließ die Villa seiner zweiten Frau Franziska. Fortan lebte sie hier mit ihren Söhnen sowie ihrem zweiten Mann, dem Kunstmaler und Heilbrunner Bürgermeister Heinrich Grundler. Viel Glück war ihnen nicht beschieden. Drei der Söhne starben im Krieg.

1966 brachen neue Zeiten an, als der jüngste ihrer Söhne alleiniger Eigentümer wurde und die Villa zu einem Sanatorium umfunktionierte. 1993 kaufte die Gemeinde das Anwesen und renovierte es unter Berücksichtigung der Originalpläne. Was gar nicht so einfach, galt es doch die strengen Auflagen des Landesamtes für Denkmalschutz zu beachten und zugleich die Statik zu erhöhen, um das Gebäude für die Allgemeinheit zu öffnen.

Heute befindet sich im Erdgeschoss das Café-Restaurant Parkvilla, im Souterrain eine Physiotherapeutische Praxis sowie in den oberen Stockwerken die Kunstschule EigenArt.

 

[1]Bößl H., Gabriel v. Seidl. Oberbayerisches Archiv. Hrsg. Historischer Verein von Oberbayern, Band 88, München 1966, S. 37.

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Badstraße 1
83670 Bad Heilbrunn